Perfekt inszeniertes Ablenkungsmanöver

Der Schweigekanzler meldet sich endlich wieder zu Wort und das Thema ist nicht der BVT-Skandal, nicht antisemitische Liederbücher, nicht die rechten Burschenschafter in den Regierungskabinetten oder die Zerschlagung der allgemeinen Unfallversicherung, sondern das Kopftuch im Kindergarten und in der Volkschule. Über eine halbe Million Menschen in Österreich haben sich für ein Rauchverbot ausgesprochen und wurden von dieser Regierung ignoriert, aber sogar diese Debatte ist nun vom Tisch und wir alle diskutieren über ein Randthema, das nicht mit Verboten, sondern mit sozialen Maßnahmen, Fakten und Bildung angegangen werden sollte. Besonders traurig ist, dass leider viele im linken und liberalen Lager, dieses fadenscheinige Ablenkungsmanöver nicht durchschauen und sich für Straches Vorstoß begeistern lassen.

Es wird nun argumentiert, dass man junge Mädchen im Kindesalter, die noch nicht mündig sind, vor dem politischen Islam schützen müsse und im nächsten Atemzug spricht man davon, dass Kopftuch in Universitäten und im öffentlichen Bereich generell zu verbieten. Ich hatte schon im letzten Jahr davor gewarnt, dass das Verbot des Kopftuchs in der Justiz und Exekutive nur der Türöffner und Wegbereiter ist für die Debatte rund um ein generelles Kopftuchverbot – ähnlich spielt es sich in der aktuellen Diskussion ab. „Man darf Migration nicht auf plumpe Botschaften wie ‚Kopftuch – ja oder nein´ beschränken. Wer das macht, der meint es nicht ernst mit dem Thema“, stellte Sebastian Kurz vor einigen Jahren noch fest. Da bin ich mit dem Bundeskanzler ganz einer Meinung. Weder Strache noch er meinen es nämlich ernst mit dem Thema Integration. Für diese Regierung ist Integration lediglich ein sicherheitspolitisches Thema, das für eine populistische Politik missbraucht wird.

Beim Burka-Verbot gab es im vergangenen Jahr insgesamt 50 Anzeigen. Auch jetzt diskutiert man über eine unbestimmte, aller Voraussicht nach äußerst geringe, Anzahl von Mädchen. Eine ernsthafte Analyse oder Erhebung wurde ja nicht durchgeführt. Selbst ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann, der bei seinem Antritt von Kleidervorschriften im schulischen Bereich nichts wissen wollte, räumt ein, dass es hier mehr um „reine Symbolpolitik“ geht. Die Gleichberechtigung sowie Freiheit von jungen Mädchen und Chancengleichheit für alle sind viel zu wichtige Themen, um sie dem Populismus und der Scheinpolitik dieser Regierung zu überlassen. Ich hoffe, die Opposition erkennt das noch rechtzeitig.

Aber warum sollte man das der Regierung übel nehmen? Die Statistiken zeigen, auf muslimische Frauen mit Kopftuch wird regelmäßig „draufgehauen“. Die Zahlen der Dokumentationsstelle für islamfeindliche Übergriffe belegen, dass 92 % der Vorfälle sich gegen Frauen richten. Anstatt diese Zahlen ernst zu nehmen und betroffenen Musliminnen zu schützen, macht man sie abermals zur Zielscheibe. Laut den Kritikern sind die Frauen ja selbst schuld, wenn sie sich durch das Kopftuch selbst in ein Eck stellen und dadurch zu Opfern werden. Dieses Argument ist ebenso widerwärtig, wie die Anschuldigungen gegenüber einem Vergewaltigungsopfer, dass sie selbst schuld sei an dem Verbrechen, wenn sie einen lasziven Minirock trägt.

Was derzeit fehlt, ist ein politisches Gesamtkonzept für ein besseres Miteinander. Stattdessen werden die Gelder für Integrationsmaßnahmen gekürzt, ausländische Kinder in „Ghettoklassen“ gesteckt und eine Atmosphäre der Angst geschaffen. So bereitet man den perfekten Nährboden für Populismus und eine gespaltene Gesellschaft. Wertschätzung, Förderung, Zusammenhalt und Solidarität sind für diese Regierung, wenn es um das Thema Integration geht, ein Fremdwort. Von der Glaubensfreiheit oder Menschenrechten, die auch für die Minderheiten in unserer Gesellschaft gelten, möchte man ebenso nichts wissen. Weder Strache noch Kurz geht es bei dieser Debatte wirklich um die betroffenen Kinder. Es ist wirklich letztklassig, dass diese Regierung wieder einmal auf dem Rücken von Kindern auf skrupellose Art und Weise Politik betreibt.

Foto: © APA/GEORG HOCHMUTH

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